Seit Jahrzehnten wird eine Umfahrung für den Raum Eglisau diskutiert. 1985 scheiterte ein Bauprojekt an einer Volksabstimmung deutlich. Nun, fast 40 Jahre später, folgt ein zweiter Anlauf – auch im Sinne des Vereins Umfahrung Eglisau.
Im Gespräch mit: Rolf Hartl
Ein «Erdölmensch», der sich für Umweltanliegen einsetzt?
Rolf Hartl, Präsident des Vereins Umfahrung Eglisau, sagt dazu: «In der Erdölbranche denkt
man schon lange auch ökologisch, wir sind da nicht verbiestert.» Bis 2040, 2050 würden benzin- oder dieselbetriebene Fahrzeuge auf der Umfahrung stark abnehmen zugunsten anderer Antriebe und werde das Bedürfnis nach Mobilität bis dann wohl noch eher zunehmen.
Herr Hartl, nach letzten Informationen des Kantons Zürich ist die Umfahrung Eglisau in frühestens 20 Jahren zu erwarten. Dann wären Sie 89, 90 Jahre alt.
Rolf Hartl: Wenn man sich der Sache wirklich speditiv annehmen würde, dann wäre
eine Eröffnung der Umfahrung im Jahr 2040 machbar; das basiert auch auf Plänen des Kantons. Die Diskussion rund um eine Umfahrung Eglisau begann in den 1950er-Jahren. Bei einer Eröffnung hätte das «Baby» also 90 Jahre gebraucht, um das Licht der Welt zu erblicken. Jedes Jahr, das zusätzlich verstreicht, ist ein verlorenes Jahr; so ein Projekt sollte man nicht ständig hinausschieben, sondern prioritär behandeln und zügig vorwärts machen. Es dauert ja jetzt schon lange genug, mit all den Verfahren und Rechtsmitteln, die allenfalls später noch zum Zug kommen werden.
Ärgern Sie sich noch über die Volksabstimmung von 1985? Schon heute könnte seit
Jahren eine Umfahrung stehen…
Hartl: Die damals diskutierte Umfahrung könnte heute bereits gebaut sein, sofern die
Variante den juristischen Test bei den Rechtsmittelbehörden bestanden hätte.
Die Brücke wäre zwischen der alten Strassen- und der Eisenbahnbrücke zu stehen
gekommen, relativ nahe am Siedlungsgebiet. Auch deswegen rührte sich viel Opposition. Gescheitert ist die Vorlage auch, da viele Leute aus der Region, Eglisau inklusive, dachten, eine Umfahrung sei gar nicht nötig. So eine Volksabstimmung wie damals darf sich natürlich nicht wiederholen.
Der Pendler-Frust dauert an: Die Hardwald-Passage, die nun ab 2024 ausgebaut
werden kann, ist ein Staumagnet, und vor Eglisau gabs zuletzt Strassenbauarbeiten
auf der Hauptstrasse. Später folgt der Bau des neuen Kreisels beim «Chrüzacher».
Hartl: Ob die Bauplanung des Kantons und damit die Verkehrsführung gelungen ist, liegt im Auge des Betrachters. Tatsache ist: Die «Mini-Autobahn» zwischen dem Autobahnende in Bülach und dem Kreisel war in der politischen Entscheidfindung einfach weiter vorne und ist im Vergleich trivialer als die Umfahrung Eglisau. Daraus ergibt sich auch die Bauabfolge. Irgendwo
muss man ja anfangen. Auch wenn Gegenmassnahmen, dazu zähle ich die Sanierung der Ortsdurchfahrt, im Raum stehen: Sobald die Hardwald-Passage und der neue Kreisel fertiggestellt sind, wird sich die ganze Situation in Eglisau noch weiter verschlimmern und uns noch stärker vor Augen führen, wie wichtig die Umfahrung ist.
Wie beurteilen Sie die bisherige Arbeit der Zürcher Volkswirtschaftsdirektion unter der Leitung von Carmen Walker Späh und jene der Zürcher Baudirektion unter der Leitung von Martin Neukom?
Hartl: Ich stelle fest, dass in der jetzigen Phase die Mitarbeiter der Bau- wie auch der Volkswirtschaftsdirektion ihre Arbeit richtig machen, zügig und genau. Der Prozess
ist also in vollem Gang. Was jetzt konkret aufliegt, ist die Richtplanrevision mit der
neuen Linienführung der Umfahrung. Die Vernehmlassung dauert noch bis Mitte
März. Es ist vorgesehen, dass der Regierungsrat anfangs 2025 dem Kantonsrat den
Antrag für den Objektkredit unterbreiten wird. Vorgängig wird es anfangs 2024 auch
eine öffentliche Projektauflage geben.
Was sagen Sie zu den Kosten? Die Rede ist von rund 275 Millionen Franken.
Hartl: Die Erfahrung mit Strassenbauten in der Schweiz zeigt: Es gibt bei solchen Projekten immer nur eine Richtung, nämlich nach oben. Es würde mich nicht erstaunen, wenn die Umfahrung teurer würde. Der Kanton hat aber von Anfang an gesagt, dass die 275 Millionen Franken schon mit bis plus/minus 25 Prozent zu bewerten sind. Eine teurere Umfahrung ist somit nicht ausgeschlossen; die grosse Unbekannte ist ja jeweils der Untergrund, der immer für Überraschungen gut ist.
Kann der Prozess überhaupt noch beschleunigt werden?
Hartl: Die kantonale Verwaltung arbeitet auf der Grundlage von parlamentarischen
Aufträgen, die mittlerweile auch schon zehn Jahre alt oder älter sind. Hier jetzt
«Sobald die Hardwald Passage und der
neue Kreisel fertiggestellt sind,
wird sich die ganze Situation
in Eglisau noch weiter verschlimmern und uns
vor Augen führen, wie wichtig die
Umfahrung ist.»
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neue parlamentarische Initiativen oder Vorstösse zu generieren, würde diese
«Geschichte» höchstens verzögern. Es geht jetzt so vorwärts, wie es in der Schweiz im
Strassenbau halt vorwärts geht. Der Zug ist in Bewegung, und das ist gut so.
Von der neuen Umfahrung war die Brücke als Erstes bekannt, Ende April 2020 –
noch vor der Streckenführung, über die Präsentation der Machbarkeitsstudie
Ende Juni 2022. Was halten Sie davon?
Hartl: Das ist die Frage nach Huhn oder Ei. Ich fands geschickt. Jetzt steht schon einmal als Projekt-Ikone eine Brücke im Vorschlag von Herrn Calatrava da, als Blickfang. Das war ein guter Schachzug.
Und wie gefällt Ihnen die vorgeschlagene Streckenführung?
Hartl: Das ist das Beste, was erreicht werden kann. Ein grosser Teil der Umfahrung wird untertunnelt. Das ist wichtig in Bezug auf die Bewohner am Südufer, rund um den Bahnhof. Sie werden dann vom Verkehr nichts mehr bemerken. Auf der Nordseite besteht diese Problematik nicht. Es ist vielleicht ein weiter Bogen, aber gerade darum sind die Immissionen relativ klein, da wir das Siedlungsgebiet nur wenig tangieren.
Ich halte die Brücke für gelungen und auch die Streckenführung. Es gibt keine gescheitere Variante. Wenn man es geschickt anstellt, werden die ökologischen Auswirkungen auch auf Hüntwanger Seite minimiert.
Verstehen Sie die Einwände von Naturschutz und Heimatschutz sowie
jene der Denkmalpflege?
Hartl: Die Bundesinventare rund um Eglisau entfalten einen recht hohen Druck.
Schon deshalb sollten wir ökologisch mehr machen als nur das absolute Minimum.
Denn es muss das Ziel sein, das Projekt so rechtsmittelsicher wie nur möglich zu
gestalten. Zum Beispiel über ökologische Kompensationen, nicht nur im Projektperimeter, sondern eventuell auch ausserhalb. Die ökologischen Auswirkungen während der Bauphase sind aber per Saldo wohl grösser als jene, die während des Betriebs anfallen. Der grösste Teil der Linienführung verläuft am Ende ja im Untergrund.
Wäre auch Ihnen eine Umfahrung vor der nun zweijährigen Sanierung der
Ortsdurchfahrt Eglisau lieber?
Hartl: In einer perfekten Welt hätte man zuerst die Umfahrung erstellt, dann die Ortsdurchfahrt saniert. Es ist so, wie es ist. Wir als Verein haben insofern Stellung dazu bezogen, als dass wir sagen, die Sanierung der Ortsdurchfahrt darf die Umfahrung Eglisau nicht negativ präjudizieren. Alles, was Bestandteil der Sanierung ist, muss auch im Hinblick auf eine Umfahrung «verheben»
Schaffhauser Nachrichten
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Verbreitung: 17’326 Seite: 24
Datum: 30.12.2023
Autor: Alexander Joho
Thema: Avenergy
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